Beyond the Pale Studierende der Akademie der Bildenden Künste, München

Beyond the Pale Studierende der Akademie der Bildenden Künste, München

Es stellen aus: Verena Hägler, Tom Schulhauser, Magdalena Waller, Eva Blanché, Felix Kraus, Bianca Kennedy, Sophie Schmidt, Thomas Breitenfeld, Melanie Siegel, Max Schranner und Pia Winkenstern, kuratiert von Dina Renninger.

Beyond the Pale ist eine von Dina Renninger kuratierte Ausstellung in der Galerie52 in Essen und der Galerie Dina4 Projekte München. Die Ausstellung präsentiert elf künstlerische Positionen von Studierenden und Absolventen der Akademie der Bildenden Künste München. Die jungen Künstlerinnen und Künstler erforschen in ihren Arbeiten Grenzen dessen, was gemeinhin als normal, adäquat und glaubwürdig gilt. Was geschieht, wenn Kunst sich jenseits sichtbarer Realitäten und normativer Vorstellungen bewegt? Die KünstlerInnen arbeiten dafür mit gänzlich unterschiedlichen Medien – mit Fotografie, Malerei, Video, Performance und Installation und interpre- tieren das Motto der Ausstellung jede(r) für sich auf eine sehr individuelle Weise. Gleichwohl spielen in das Ausstellungsthema eine ganze Reihe an Assoziationen ein, die die Arbeiten ideell ein Stück weit einen. Geht man von der unmittelbaren Wortbedeutung des englischen Begriffs aus, so liegt allen die Idee zugrunde, das Blasse, Brave, Eingefügte hinter sich zu lassen. Wie für viele andere Bereiche gilt natürlich gerade in der Kunst: Durchbricht man die grauen Grenzen gängiger Standards, eröffnet sich ein weites Feld ungeahnter Möglichkeiten. Kunst markiert also per se Grenzgängertum, dies ist bekannt. Doch um welche Grenzen dreht es sich da genau? Schließlich gibt es bekanntlich viele Grenzen, von sehr greifbaren bis zu denen, die sich allein in Köpfen abspielen. Diese Grenzen näher zu erläutern und auf die Ausstellung bezogen ein Stück weit zu bündeln, soll im Folgenden versucht werden.

Beginnen wir bei den vermutlich greifbarsten Grenzen, den räumlichen. Nicht in der Senkrechten sondern den Ausstellungsraum ebenerdig begrenzend, sind die Arbeiten von Pia Winkenstern. Linien aus Patronenhülsen ziehen bei ihr Raster durch ein Pflastersteinfeld. Will der Besucher nicht stolpern, ist er angehalten, hinunter zu blicken – und nicht wie sonst stur geradeaus. Räumliche Grenzfindung geschieht auch in Thomas Breitenfelds Holzskulpturen. Denn die Spannung seiner skulpturalen Formgebung beruht in der Abgrenzung von Materialität und Raum.

Von räumlichen Grenzen hiermit also zu gesellschaftlichen und politischen Grenzen, die Macht implizieren. Von dieser Sichtwarte betrachtet, beschreibt Pia Winkensterns Bodenarbeit wiederum die Dynamik gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Hier spielen also gleichzeitig auch moralische Grenzvorstellungen wesentlich ein. Wird das gemeinhin Erlaubte, gesellschaftlich Akzeptierte übergangen, werden moralische Grenzen durchbrochen. So bei Max Schranner, der die pornografischen, sexistischen Züge des Showbusiness in fotorealistischer Malerei enttarnt.

Tom Schulhauser entwickelt aus im Netz gefundenen Fotos sich sonnender, eigentlich in Intimität wähnender Menschen fotorealistisch gemalte Bilder mit einem eigentümlichen, Narzissmus ausstrahlenden Porträtcharakter. Der Künstler thematisiert damit die allgegenwärtige, jegliche Persönlichkeitsrechte verletzende  ́visuelle Bilderjagd ́ im Internet. Der Betrachter blickt hier also unmittelbar hinter die Linie rechtlicher und vor allem moralischer Wertvorstellungen und wird dabei ganz beiläufig selbst zu einem die Grenze der Moral überschreitenden Voyeur.

Magdalena Waller berührt mit ihrem ebenfalls auf einer Fotovorlage beruhenden Freskodruck eine noch sensiblere Moralgrenze: die inzestuöse Liebe von Geschwistern als eine der wenigen, noch weithin geltenden moralischen Tabus. Da das Motiv von ihr und ihrem Bruder jedoch reine Insze- nierung ist, stößt diese Arbeit in einen weiteren, sehr verschwimmenden Grenzbereich vor, den zwischen Realität und Fiktion. So malen sich Bianca Kennedy und Felix Kraus in ihrem neuesten Gemeinschaftsprojekt eine phantastische Videowelt aus Mensch-, Tier- und Pflanzenhybriden aus. Melanie Siegels Leinwände entspinnen ebenfalls eine Naturphantasie, die das Motiv eines Gewächshauses in realiter soweit abstrahiert dass es zu einem Neuentwurf von Wirklichkeit wird. Eine weitere Grenze ist die des Vertrauten, des Normalzustands. So behandelt Eva Blanché in ihrem Foto-Stoffdruck Vorstellungen von Kitsch und gutem Geschmack, die auf dem schmalen, ambivalenten Grat von trautem Glück und zwanghafter Geborgenheit verlaufen. Im einen Moment Normalzustand, im nächsten krankhafter Anfall, dies bestimmt das Krankheitsbild der Epilepsie, dem Verena Hägler in ihrer neu- esten Fotoreihe “Aura” nachspürt. Körperliche Grenzerfahrungen bilden dahingehend einen weiteren assoziativen Komplex. Auch Sophie Schmidt bewegt sich mit ihren Projekten, die auf Installation und Performance beruhen, in diesem körperlichen Grenzbereich. Ihre Selbstinszenierungen als Mensch-Maschinen-Wesen erinnern an futuristische und dadaistische Kunstbegriffe. Aber letztlich mischen sich auch hier Grenzvorstellungen, körperliche mit räumlichen, und solche von Realität und Fiktionen mit Grenzen des Normalen und Glaubwürdigen. In der Zusammenfassung zeigt sich also dass die vielen Assoziationen, die das Ausstellungsthema Beyond the Pale von allen Seiten her beleuchten, in ihrer Vielfalt und gegenseitigen Durchkreuzung nahezu unbegrenzt sind. Die Grenzerforschung, die die 11 Münchner Künstler und Künstlerinnen in dieser Ausstellung betreiben, verlangt vom Besucher subtiles Gespür und offene Antennen. Denn Grenzen und ihr Dahinter sind häufig nicht visuell fassbar. Begreifbar werden sie letztlich erst in der Schulung der eigenen Wahrnehmung. (Text: Dr. Verena Faber, Freiburg)

Abbildung: Felix Kraus, Bianca Kennedy

Eröffnung:
(Do) 10.04.2014, 19:00
Atelier & Galerie 52

Ausstellung:
12.04.2014 – 17.04.2014

Öffnungszeiten:
mittwochs 14 – 18 Uhr und samstags von 12 – 16 Uhr